Die Vorfreude ist riesig, die Menschen informieren sich, lesen Bücher über Welpenerziehung und bereiten sich vor. Die Anmeldung in der Welpengruppe ist bereits gemacht. Der zukünftige Hundehalter will alles richtig machen und gibt sein Bestes.
Ist der Welpe dann endlich da, gibt man ihm alle Freiheiten, er darf sich alles anschauen, es wird gespielt, getobt, Sitz gelernt und mit Leckerchen „erzogen“ und „bestochen“. Alle Bekannten und Verwandten kommen um ihn kennenzulernen. Man geht Gassi, lässt jeden Hund zum Welpen und fremde Menschen dürfen ihn streicheln, denn schliesslich braucht er Sozialkontakte. Wenn der Welpe, nach der Welpengruppe, dann zu Hause völlig aufdreht, weiss man nicht wie man sich verhalten soll, was man tun kann um ihn zu stoppen. Um den Welpen müde zu kriegen, wird dann nochmals ausgiebig gespielt.
Doch wie sieht so ein Umzug aus Sicht des Welpen aus?
Im Alter von 8-12 Wochen muss der Welpe seine Familie verlassen und wird in eine Familie einer anderen Spezies gesetzt. Eigentlich völlig unnatürlich. Die Welpen würden in der Natur bei ihren Müttern bleiben, würden in der Familie leben. Die Mutter würde ihnen einen Rahmen geben wo sie sich frei bewegen können, würde sie vor allen Gefahren schützen und ihnen alles beibringen das ein Hund können muss. Sie würde dem Welpen Grenzen setzen, sie würde Futter verwalten und dem Welpen lernen dass er sich zurücknehmen muss. Sie ist sein Erziehungsberechtigter.
Wir machen aber meistens genau das Gegenteil, wir benehmen uns aus Sicht des Welpen nicht wie seine Mutter, vielmehr auch wie ein Welpe. Wir sprechen mit hoher Stimme, wir schmeißen mit Leckerchen, wir überlassen ihm Spielzeuge, das Haus, den Garten, er darf sich überall umschauen. Wir verlangen von ihm dass er mit uns spazieren geht, in fremde Territorien mit vielen Aussenreizen, an der Leine, die er noch nicht gut kennt. Wir geben ihm viel Aufmerksamkeit und Freiheiten und machen Prinzen und Prinzessinnen aus ihnen. Doch wo ist die Person, welche für seine Sicherheit sorgt (aus Sicht des Welpen)? Wer führt die „Erziehung“ weiter, wie es die Hundemutter gemacht hätte? Wer stellt Regeln auf und achtet darauf dass sie eingehalten werden? Wer setzt Tabu’s, begrenzt, schafft Raum für Ruhe und sorgt somit für Sicherheit? Wer verwaltet Ressourcen? Wer ist der Fels in der Brandung der den Welpen langsam an die Umwelt gewöhnt, ihm alles zeigt und ihn nicht in „gefährliche“ Situationen bringt und ständig überfordert?
Hat der Welpe in seinem neuen Zuhause niemanden den er als souveränen Erwachsenen sieht, wird er früher oder später diese Rolle übernehmen. Und genau das ist oft der Ursprung von unerwünschten Verhaltensweisen wie haltloses Benehmen, Ressourcenverteidigung, Aggressionen etc.