Leider gibt es im Hundetraining noch immer totales Schubladendenken.
Viele Hundeschulen arbeiten ausschliesslich positiv, also der Hund wird immer nur belohnt. Einige Hundetrainer arbeiten nur aversiv, also der Hund wird immer nur bestraft.
Die grosse Frage lautet: Warum kann nicht beides genutzt werden? Dem jeweiligen Hund angepasst?
Ursprünglich sind wir hier beim Thema operante Konditionierung. Dazu gehören beide „Methoden“. Im Laufe der Zeit wurde die Bestrafung aber einfach als gewalttätig negativ dargestellt.
Dazu muss ich etwas ausholen:
In der Verhaltensforschung Behaviorismus (Pawlow/Skinner, Anfang 1900) wurde die Verbindung zwischen einem Reiz und einer Reaktion erforscht. Dabei wurden aber die Prozesse, die sich im Gehirn abspielen, aussen vor gelassen.
Beispiel: Du hörst hinter dir ein Auto. Das Auto ist also der Reiz. Du drehst dich um. Das Umdrehen ist also die Reaktion. Dabei wurden die Abläufe im Gehirn ignoriert. Es interessierte also nicht, warum du dich umgedreht hast. Neugier, Angst, Erschrecken etc).
Diese Prozesse im Gehirn war die sogenannte „Blackbox“: Alle Prozesse, Gefühle, Wünsche, Motivation, Absichten interessierten nicht.
Eine Form des Lernens vom Behaviorismus ist die operante Konditionierung. Eine bekannte Lerntheorie des Behaviorismus (Verhaltensforschung, Pawlow und Skinner). Hier geht es, stark abgekürzt, um Belohnung und Bestrafung. Verhalten das mehr gezeigt werden soll, wird belohnt. Verhalten das weniger gezeigt werden soll, wird bestraft. Hier wird noch in 4 Formen unterteilt, auf diese möchte ich in diesem Beitrag aber nicht näher eingehen.
Wichtig: Die Forschungen fanden unter Laborbedingungen statt. Für mich ein sehr wichtiger Aspekt, da wir mit unseren Hunden ganz anders leben.
Ich möchte hier mal einige Dinge aus meiner Sicht schildern. Alle Hunde sind individuell. Ein Reiz kann bei Hund A eine andere Reaktion auslösen als bei Hund B. Egal ob Belohnung oder Bestrafung. Es wird nicht nur das Verhalten belohnt/bestraft, sondern auch die Emotionen die der Hund gerade hat in diesem Moment.
Ein Hund zu erziehen nur mit positiver Verstärkung ist aus meiner Sicht nicht möglich.
Doch was bedeutet nun aversiv? Aversiv = Widerwillen oder auch Ablehnung
Aversiv hat nichts mit Gewalt zu tun. Gewalt hat tatsächlich in der Hundeerziehung nichts zu suchen. Denn Gewalt fängt da an wo Wissen aufhört.
Trotzdem kann ich mit einem Hund aversiv arbeiten, das heisst, ich unterbreche z.B. ein Verhalten, was der Hund nicht tun soll. Ich handle also gegen den Willen des Hundes.
Hier mal ein Beispiel:
Der Hund darf eigentlich nicht aufs Sofa, das ist eine Regel im Haus. Er geht aber trotzdem rauf.
Was mache ich, wenn ich nur belohnen darf? Ich locke den Hund irgendwie runter oder warte bis er runterkommt, dann bekommt er ein Leckerli und Lob. Geht er wieder rauf, muss ich wieder warten bis er runter kommt und lobe ihn dann wieder. Manche Hunde checken hier schnell wie das läuft und springen extra wieder hoch, um ein Leckerli und die volle Aufmerksamkeit des Menschen zu erhalten.
Was mache ich, wenn ich eine aversive Methode anwende? Der Hund liegt auf dem Sofa, ich geh hin und nehme ihn runter indem ich ihn z.b. am Halsband nehme und runter bringe. Nett und höflich, aber konsequent und ohne Ansprache. Ich muss ihn nicht runterstossen, werfen etc.. Ich muss auch nicht böse werden. Geht er wieder rauf, nehm ich ihn wieder runter, so lange bis er es akzeptiert.
Das ist aversives Arbeiten, ich mache etwas das gegen den Willen des Hundes ist. Keine Gewaltanwendung, nur das Durchsetzen einer Regel.
Wann ich lobe und wann ich strafe kommt immer darauf an was ich gerade arbeite mit dem Hund. Was macht Sinn und was nicht. Dazu muss ich die Lerntheorien kennen und planvoll vorgehen. Denn Belohnungen und Bestrafungen müssen im timing sein, sollten der Situation und dem Hund angepasst sein und… vor allem…. müssen konsequent sein. Bestrafungen die unregelmässig sind können Verhalten festigen oder gar schlimmer machen.
Übrigens gibt es auch in der Kindererziehung Stile, die vergleichbar sind mit Hundeerziehung:
Autoritärer Erziehungsstil (nur Regeln, Verbote, Strafen), Antiautoritärer Erziehungsstil (laisser-faire, keine Regeln, Grenzen und Verbote), Demokratischer Erziehungsstil (sowohl Regeln, Grenzen als auch Freiheiten).